Horst Becker, Parlamentarischer Staatssekretär im NRW-Umweltministerium (links) mit Prof. Jürgen Rossmann, RIF-Vorstand,
in der Panoramaprojektion.
Foto: MMI, Arno Bücken

Wald im Computer!

RIF-Forschungsprojekt erfasst Wälder bis ins Detail und liefert so Daten für neue Arbeitsverfahren und neue Erkenntnisse - - NRW-Staatssekretär würdigt „innovatives und hoch leistungsfähiges IT-System“

RIF-Forschungsprojekt erfasst Wälder bis ins Detail und liefert so Daten für neue Arbeitsverfahren und neue Erkenntnisse - - NRW-Staatssekretär würdigt „innovatives und hoch leistungsfähiges IT-System“

Wieviele Bäume einer gesuchten Baumart besitze ich? Welche Pflegemaßnahmen sind in meinem Wald notwendig? Wie kann ich das Holz waldschonend gewinnen? Welcher Teil meines Waldes ist durch Sturm gefährdet? Arbeit im Wald stand bislang auch für langwieriges Suchen nach notwendigen Informationen - diese macht der „Virtuelle Wald“ jetzt quasi auf Fingertipp verfügbar. Förster können ihr Wissen über jeden einzelnen realen Baum samt Details, wie Baumart, Standort, Umfang, Eigentümer und Zustand in einer durchgängigen Datenbasis sammeln und bearbeiten. Das hilft Forstplanern, Waldarbeitern und Waldei­­gentümern bei der Arbeit und ermöglicht zudem neue Daten­erfassungs-, Prognose- und Abrechnungssysteme. Horst Becker, Parlamentarischer Staatssekretär im NRW-Umwelt­ministerium, würdigte heute das innovative, hoch leistungs­fähige IT-System. Das zehnjährige Forschungs- und Entwick­lungsprojekt , das vom Land NRW und der EU unterstützt wurde, hat unter Leitung des RIF Institut für Forschung und Transfer, Dortmund, Grundlagenwissen aus der Raumfahrt für die Waldbewirtschaftung nutzbar gemacht . Dazu hatten renommierte Projektpartner, Experten für Robotertechnik, Forstwirtschaft und Geoinformationstechnik aus Dortmund, Aachen, Siegburg und München, unterstützt mit wichtigen Praxisbeiträgen von Wald und Holz NRW, Münster, knapp zehn Jahre lang zusammen gearbeitet. Zum Abschluss der dritten Projektphase präsentierten die Forscher nun neben beacht­lichen, messbaren Ergebnissen aus der Praxis auch eine faszinierende Prototypenwelt mit praxisnahen Softwaredemon­strationen, 3D-Panoramaprojektion, Trainings-Simulator, Gelände- und Flugrobotern.

Für das IT-System Virtueller Wald wurde ein spezielles Geo-Informations-System (GIS) für die Forstwirtschaft entwickelt, das modernste Fernerkundungsdaten auswertet und die Ergebnisse über eine leistungsfähigen Datenhaltung und innovative Simulations­technik flexibel zur Bearbeitung – auch über mobile Endgeräte – bereitstellt.

„Im Wald erfasst ein Förster zu Fuß, mit Stift und Papier etwa 25 bis 35 Hektar täglich. Mit einem mobilen Endgerät und der neuen Software bewältigt er nicht nur das Doppelte, rund 70 Hektar, sondern spart auch einen großen Teil der Nachbearbeitung im Büro. Denn die Daten müssen nicht mehr händisch übertragen werden, sondern sind sofort im System verfügbar“, sagte. RIF-Vorstand und Projektleiter Prof. Dr. Jürgen Roßmann. Diese deutlichen Erhöhun­gen der Leistungsfähigkeit und Qualitätsverbesserungen bei der Forsteinrichtung (Inventur der Waldbestände) wurden durch Mitarbeiter des Landesbetriebs Wald und Holz NRW bei entspre­chenden Testläufen in der Praxis ermittelt. Mit dem Forsteinrich­tungsmodul kann effizient auf Walddaten zugegriffen werden. Informationen wie Baumartengruppe, Vorrat und Zuwachs sowie Baumhöhe und Geländeausformung lassen sich aus der Ferner­­kundung schnell ableiten. Das unterstützt Forsteinrichter in ihrer Arbeit und entlastet sie von aufwändigen Messarbeiten,“ berichtete Volker Holtkämper, Leiter des Fachbereichs V „Holzwirtschaft, Forschung, Klimaschutz“, Wald und Holz NRW.

Die Grundlage für die Bündelung aller relevanten Waldinformationen sind landesweit verfügbare Geobasis- und hier insbesondere Fernerkundungsdaten , die mit modernen mobilen Erfassungsgerä­ten – von der Überfliegung bis zum Laserscanning – von Zeit zu Zeit kostengünstig geprüft und aktualisiert werden. “Der Virtuelle Wald senkt die Kosten zur Datenerhebung erheblich – und steigert gleichzeitig die Datenqualität signifikant. Darüber hinaus standar­disiert er die Daten, stellt die Daten zur Bearbeitung bereit, stimmt Anwendungen aufeinander ab und optimiert damit die Kommunikation aller Beteiligten“, erläuterte Prof. Roßmann Idee und Funktion des Informationssystems. Mit vielfältigen Analyse- , Optimierungs- , Visualisierungs- und Prognosefunktionen wird das Planungs- und Management-Unterstützungssystem so zu einem einem neuartigen Kristallisationspunkt für den Cluster der Forst- und Holzwirtschaft. Darüber hinaus stellt es auch eine leistungsfähige Forschungsplattform dar.

Der Kreis der am Wald „Beteiligten“ ist groß. "Die Öffentlichkeit und die Wirtschaft erwarten vielfältige, komplexe und aktuelle Informationen zu unseren Wäldern, von Biodiversität über Erholungsmöglichkeiten bis hin zu Holzressourcen. Auch die Anpassung der Wälder an den Klimawandel stellt eine neue Herausforderung für die Forstwirtschaft dar. Im Zeitalter der Digitalisierung sind die technischen Möglichkeiten vorhanden, wir müssen sie nun für die Forstwirtschaft nutzen", betonte Horst Becker, Parlamentarischer Staatssekretär im Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen.

Die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten des Virtuellen Waldes in allen Bereichen des Waldmanagements wurden bei einem Rundgang durch die Räume des RIF deutlich. Sie reichen von der Forst­wirtschaft über Anwendungen im Waldnaturschutz, für die Erholungs­nutzung bis hin zum Klimaschutz, etwa zur Simulation von Waldentwicklungen im Klimawandel oder von Wirkungen konkreter Waldbaumaßnahmen. In einer Rundum-Panoramaprojektion wurde die Simulation von Zukunftsszenarien – von der zur „Was-wäre-wenn-Waldwachstumsrechnung“ bis zur Berechnung von Sturmrisiken – mit der 3D-Brille begehbar.

Vorführungen mit Robotern in der Luft und am Boden zeigten, wie die Daten automatisiert erfasst und in das System übertragen werden. Am Rechner wurden blitzschnell Verkaufserlöse und Erntekosten bei unterschiedlichen Behandlungsalternativen eines Waldstücks ermittelt. Im Motion Simulator wurde fühlbar, welche Probleme der Fahrer auf dem Sitz bekommt, wenn er mit einem Harvester über den unebenen Waldboden zu dem Baum navigiert wird, der gefällt werden soll – ein Werkzeug übrigens, das zukünftig nicht nur die Ausbildungskosten für die teuren Erntemaschinen drastisch senken, sondern auch bodenschonende Befahrungen trainieren könnte.   

„Das Grundgerüst des Virtuellen Waldes ist vollständig. Wir konnten mit dem Projekt dafür sorgen, dass die gesamte Prozesskette von der Datenerfassung bis zu den vielfältigen einzelnen Anwendungen nahtlos funktioniert“, sagte Prof. Roßmann. Der Forschungs- und Entwicklungsstand des Virtuellen Waldes ist bundesweit und international führend.

Weiterer Forschungsbedarf für die Zukunft zeichnet sich bereits ab: Sinnvoll wäre die breite Bereitstellung moderner, IT-gestützter Entscheidungsunterstützungssysteme für den gesamten Cluster Wald und Holz, vom Waldbesitzer bis zum Waldexperten. Die Inventurverfahren könnten so auch für strukturreiche Mischbestände erweitert, Waldarbeiter bei ihrer Arbeit durch Fahrerassistenz­­systeme oder teilautomatisierte Forstmaschinen besser unterstützt werden. Auch in den Bereichen Waldentwicklung und Waldbau, Klimawandel und Anpassungsmaßnahmen, Forstplanung und Holzernteoptimierung warten vielfältige Aufgabestellungen. „Der Virtuelle Wald kann durch seine breit aufgestellte Basis zu einem Katalysator für die Wald-und-Holz-Forschung sowie für eine schnelle Übertragung neuester Forschungsergebnisse in die forstliche Praxis entwickeln“, erläuterte Prof. Roßmann.

„Im Rahmen des von NRW und EU geförderten Forschungsprojekts Virtueller Wald wurde ein innovatives und hoch leistungsfähiges IT-System für ein modernes Waldmanagement entwickelt, das einzigartig ist. Hiermit hat sich der Forschungsstandort NRW mit seinen renommierten Hochschulen Dortmund und Aachen auch im Bereich der forstlichen IT etabliert. Es gilt nun, den Virtuellen Wald in die forstliche Praxis zu überführen, " erklärte Horst Becker.

Über den Virtuellen Wald informiert eine Projektseite im Internet unter www.virtueller-wald.de.

Das Projekt wurde kofinanziert durch die Europäische Union (Europäischer Fond für regionale Entwicklung EFRE) und das Land Nordrhein-Westfalen.

Projektpartner:

  • RWTH Aachen, Institut für Mensch-Maschine-Interaktion, Prof. Dr.-Ing. Jürgen Roßmann
  • Technische Universität München, Lehrstuhl für Waldwachstumskunde, Prof. Dr. Dr. h.c. Hans Pretzsch
  • Technische Universität München, Lehrstuhl für Forstl. Arbeitswissenschaft und Angewandte Informatik, Prof. Dr. Walter Warkotsch
  • Technische Universität Dortmund, Institut für Roboterforschung, Prof. Dr.-Ing. Uwe Schwiegelshohn
  • CPA Systems GmbH, Dr.-Ing. Christoph Averdung
  • Pöyry Management Consulting (Deutschland) GmbH, Dr. Hubert Röder
  • RWTH Aachen, Forschungsinstitut für Ökosystemanalyse  und –bewertung e.V., Dr. Gottfried Lennartz

RIF-Presseinformation, 12. November 2014 –

nach oben