Drei Jahre lang haben die Simulationsexperten am RIF Institut für Forschung und Transfer, Dortmund, an einer Testumgebung für den Weltraum gearbeitet, die extrem nah an die physikalische Wirklichkeit herankommt. Konkret ging es darum, die am RIF bereits vorhandenen Simulationsmethoden so zu verfeinern, dass optische Sensoren wie beispielsweise Kameras und Laserscanner für Raumfahrtsysteme vorab realitätsnah getestet und verbessert werden können.
Optische Sensoren spielen in der Raumfahrt eine wichtige Rolle. Als „Roboteraugen“ sind sie zum Beispiel dafür mitverantwortlich, dass schwierige Annäherungsmanöver reibungslos gelingen. Im Vordergrund des in Kürze abgeschlossenen Projekts unter Federführung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und unter Beteiligung des MMI Instituts für Mensch-Maschine-Interaktion der RWTH Aachen steht das Andocken von Servicesatelliten an aktive Satelliten im Weltall. Diese Manöver werden zur Vermeidung von Weltraumschrott immer wichtiger, denn Servicesatelliten verlängern mit Reparatur- oder Wartungsarbeiten die Lebensdauer aktiver Satelliten oder bergen ausgediente Exemplare. In jedem Fall muss das Koppeln der Objekte, die im All mit hoher Geschwindigkeit kreisen, durch optische Erkennungssysteme feingesteuert werden.
Um diese Situationen sehr realistisch simulieren zu können, mussten die RIF-Experten ihre Verfahren in zweierlei Hinsicht verfeinern: Zum einen musste das Verhalten der realen Kameras und Laserscanner, die für den Weltraum vorgesehen sind, erfasst werden. Dazu waren sehr aufwändige Messreihen, unter anderem in einer Versuchsanlage im Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Bremen erforderlich.
Zum anderen mussten die besonderen Umweltbedingungen im Weltraum für die Virtuelle Realität nachgebildet werden. Eigentlich sind die Sichtverhältnisse bestens, weil das Licht nicht durch Atmosphäre abgelenkt wird. „Allerdings haben die Materialien, die beispielsweise bei Satelliten verbaut sind, ein besonderes Reflexionsverhalten. Wenn ein Satellit ungünstig von der Sonne angestrahlt wird, kann es gut sein, dass auf einem Kamerabild statt des Satelliten selbst nur noch ein verwaschener weißer Fleck wahrnehmbar ist“, erklärt Oliver Stern, Leiter der Abteilung Robotertechnik am RIF. Auch die übrigen Umweltbedingungen, wie die hohen Geschwindigkeiten von Satelliten, ihre Flugbahnen und einwirkende Kräfte beim Kopplungsvorgang werden sehr realitätsgetreu nachgebildet. „Nur wenn wir alle Geräte- und Materialeigenschaften, Umweltbedingungen und physikalischen Effekte sehr realitätsnah simulieren, bekommen wir sinnvolle Ergebnisse“, beschreibt Stern das Projekt.
Das Resultat, ein erweitertes Virtuelles Testbed für Weltraumszenarien, kann ab Anfang 2017 als Grundlage für viele weitere optische Aufgabenstellungen genutzt werden. Konkret wird der Projektpartner Jena Optronic die Ergebnisse für die Entwicklung von weiteren Sensoren und Kamerasystemen verwenden. Unter Berücksichtigung von mathematischen Beleuchtungsmodellen, wie sie beispielsweise für den Mond bereits berechnet wurden, könnte das System zudem zukünftig nicht nur für Missionen vom Typ „Rendevouz und Docking“ sondern beispielsweise auch für „Landung und Exploration“ eingesetzt werden.
„Die Ergebnisse des Projekt ViTOS sind ein weiterer wichtiger Schritt hin zu umfassenden „Virtuellen Testbeds“ am RIF, in denen Ingenieure modernste Geräte und Verfahren gefahrlos und kostengünstig entwickeln. Die Ergebnisse des Projektes ViTOS machen darüber hinaus aktuelle Raumfahrttechnologie nutzbar auch in neuen Anwendungen zum Umweltschutz und in der Produktion. RIF besitzt damit eine Schlüsseltechnologie für die Entwicklung innovativer Produkte“, sagt Prof. Dr.-Ing. Jürgen Roßmann, RIF-Vorstand und Institutsleiter des MMI.
RIF-Presseinformation, 26.07.2016