Die Lebensdauer von Satelliten ist seit ihrer Erfindung zwar deutlich gestiegen, aber immer noch viel zu kurz. Sind sie einmal außer Betrieb, dann gehen sie als "Weltraumschrott" auf Kollisionskurs oder verglühen größtenteils beim Absturz Richtung Erde in der Atmosphäre. Aber auch unter rein wirtschaftlichen Aspekten lohnen sich Maßnahmen zur Verlängerung der Lebensdauer von Satelliten im Orbit. Während die DEOS-Mission sich auf die Entwicklung von Service-Systemen für die Satellitenversorgung und -wartung konzentriert, steht beim Forschungsprojekt "iBOSS" das Design der Satelliten selbst auf dem Prüfstand. Das "Intelligente Bausteinkonzept für das On-Orbit-Satelliten-Servicing" hat Module konzipiert, die anstelle komplizierter Reparaturen als Fertigelemente relativ einfach im Orbit ausgetauscht oder neu zusammengesteckt werden könnten. In der zweiten Phase des Projekts geht es nun darum, konkrete Designentwürfe für diese Satellitenbausteine und deren Handhabung durch Service-Satelliten zu testen. Dabei helfen die Experten vom RIF Institut für Forschung und Transfer, Dortmund, kräftig mit. Denn die Dortmunder Forscher liefern mit dem "Virtuellen Testbed" ein Softwaresystem, in dem die Entwürfe für die neuen modularen Satellitenbausteine und Serviceroboter unter simulierten Weltraumbedingungen laufend getestet werden können.
Für die RIF-Experten ist der Weltraum kein Neuland. Sie können auf grundsätzliche Erkenntnisse aus noch laufenden DLR-Projekten zurückgreifen. Dabei geht es um die Verbesserung von Laufrobotern auf Planeten (Virtual Crater, FKZ 50 RA 0913) und die Selbstlokalisation von planetaren Robotern mit Laserscannern und Kameras (SELOK, FKZ 50 RA 0918 und 50 RA 0911) anhand von bei der Landung erfassten Geodaten (FastMap FKZ 50 RA 1033 und 50 RA 1034).
Das "Virtual Space Robotics Testbed" von RIF wird die besonderen Bedingungen im Weltraum - Schwerelosigkeit, Lichtverhältnisse, Temperaturen, Umlaufgeschwindkeiten etc. - ganzheitlich im Rechner nachbilden. "Ein wichtiger Vorteil unserer Visualisierungs- und Simulationswerkzeuge ist, dass wir Daten aus Standardprogrammen, wie sie heute zur Konstruktion, Produktion und Steuerung auch in der Industrie eingesetzt werden, direkt in diese simulierte Welt mit ihren speziellen komplexen Bedingungen übernehmen können", sagt RIF-Vorstand Prof. Dr. Jürgen Roßmann.
Denn für die Entwicklung der iBOSS-Komponenten müssen Entwicklungsteams aus den verschiedensten Disziplinen ihr Know how zusammenbringen: Nicht nur die Satellitentechnik selbst, sondern unter anderem auch die Informations- und Kommunikationstechnik, die Systeme für Heizung und Kühlung, die Stromversorgung und die Treibstoff-, Antriebs -und Steuerungssysteme müssen untereinander in Einklang gebracht werden.
"Virtuelle Testbeds sind eine ideale Diskussionsgrundlage für die Entwicklungsteams. Alternativen können hier frühzeitig und unter konfigurierbaren Randbedingungen untersucht werden, so dass das Engineering insgesamt kostengünstiger und effizienter wird. Dabei kann die komplexe Virtuelle Welt jederzeit erweitert werden", betont Prof. Dr. Jürgen Roßmann. So kann auch die Funktionsweise von Service-Roboter-Prototypen, die die späteren Bausteine aneinanderfügen sollen, vorab getestet werden. Dabei werden die Forscher unter anderem untersuchen, wie Bauteile im freien Raum ohne Kollisionen und Verkanten maschinell ineinander gefügt werden können. Die Ergebnisse sind dabei nicht nur für die Raumfahrt von großem Interesse.
iBOSS-II ist ein Projekt der Grundlagenforschung. Es wird gefördert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie aufgrund eines Beschlusses der Bundesregierung (FKZ 50 RA 1204). Das Projekt läuft unter der Federführung des Instituts für Luft- und Raumfahrttechnik der TU Berlin bis Mitte 2015. Mit dem Start eines ersten realen Satelliten neuer Bauweise ist nicht vor 2020 zu rechnen. Neben RIF sind Experten des Lehrstuhls und Instituts für Leichtbau und des Instituts für Mensch-Maschine-Interaktion der RWTH Aachen sowie des Forschungszentrums Informatik der Universität Karlsruhe beteiligt.
RIF-Presseinformation, 21. Juni 2013